Ein Buch voller Kuriositäten

Sefer Chibat Yerushalaim. Jeruslaem, 1844. Breslauer Sammlung: BH 310.

Ein ganz besonderes Buch, das sich in unserer Breslauer Sammlung befindet, ist das Sefer Chibat Yerushalaim (Buch der Zuneigung Jerusalems). Gedruckt 1844 in der berühmten Druckerei Israel Back (B“K), war es eines der ersten Bücher, die in Jerusalem gedruckt wurden. Das Buch wurde mit der Druckpresse „Mase’at Moshe ve-Yehudit“ gedruckt, benannt nach dem Philantropen Moshe Montefiore und seiner Frau Yehudit, die der Druckerei 1842 die Druckpresse schenkten („Mase’at“ bedeutet Geschenk auf Hebräisch).

Druckpresse „Mase’at Moshe ve-Yehudit“. Oberhalb eine Verzierung in Form eines Adlers, der eine Schlange hält.

Das Buch ist der Stadt Jerusalem, ihrer Geschichte, ihren Sehenswürdigkeiten und Einwohnern gewidmet und enthält „Haskamot“ (Imprimatur/Druckerlaubnisse) von zwei der wichtigsten Jerusalemer Einwohner der damaligen Zeit.

„Haskamot“ (Imprimatur) von Chaim Abraham Gagin und Jakob Antebi.

So haben wir die Worte von Chaim Abraham Gagin (1787 – 1848), bekannt als ha-Rishon le-Zion (der Erste von Zion), der zwischen 1842 und 1848 Oberrabbiner des ottomanischen Palästinas war. Auch haben wir die Worte des Rabbiners Jakob Antebi (1774 – 1846), der 30 Jahre lang Oberrabbiner von Damaskus war. Antebi, der ein Opfer der bekannten Damaskusaffäre – eine Ritualmordlegende über die Juden, die 1840 in Damaskus stattfand – war, würde dies und die Hilfe, die er von Moshe Montefiore erhielt, in dem Buch sogar bezeugen.

„ליום חתונתו ושמחת לבו מאת מוקירו ומכבדו אליעזר ליזר לאנדסהוטה“

Unser Exemplar des Buches enthält eine handschriftliche Widmung von Eliezer (Lejser) Landshuth (1817 – 1887), einem berühmten jüdischen Gelehrten, der sich auf jüdische Lithurgie spezialisiert hatte. Die Widmung ist für die Hochzeit einer unbekannten Person bestimmt und lautet auf Hebräisch: „Für seinen Hochzeitstag und die Freude seines Herzens, von dem, der ihn hegt und ehrt Elieser Lejser Landshuth.“

Einen Hinweis, der uns vermuten lässt, wer die betreffende Person ist, finden wir auf der Titelseite des Buches, das neben dem Stempel des Breslauer Seminars auch den Stempel von Dr. David Rosin (1823 – 1894) trägt. Da Rosin und Landshuth Zeitgenossen waren und sich beide mit jüdischer Lithurgie beschäftigten, darf man annehmen, dass sie sich kannten und dass Landshuth an Rosins Hochzeit teilnahm und ihm dieses Buch schenkte. David Rosin, der selbst ein berühmter Gelehrter und der Nachfolger von Manuel Joël als jüdischer Philosophielehrer am Breslauer Seminar war, hatte wahrscheinlich dieses Buch der Bibliothek des Seminars überliefert.

Sefer Chibat Yerushalaim. Jerusalem, 1844. Aus der Sammlung David Jeselsohn.

Unser Nachbar und Mitglied der ICZ-Gemeinde Dr. David Jeselsohn, dessen Büchersammlung weltberühmt ist, hat ebenfalls ein Exemplar dieses Buches in seiner Sammlung, allerdings mit einer anderen Titelseite. Dies lässt den Verdacht aufkommen, dass unser Buch zu einem späteren Zeitpunkt gedruckt wurde und das Datum auf dem Buch nicht korrekt ist. Ein Verdacht, den wir leider noch nicht bestätigen oder dementieren konnten.

Oded Fluss. Zürich, 14.7.2022.

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