120 Jahre Altneuland

In diesem Monat jährt sich zum 120. Mal die Veröffentlichung von Herzls zionistischem Roman „Altneuland“, in dem er versuchte, den zionistischen Plan in seiner Entstehung zu beschreiben.  Nach dem Theaterstück „Das neue Ghetto“, das 1894 veröffentlicht wurde und vom Erwachen des zionistischen Gefühls handelt, und „Der Judenstaat“, der ein Jahr später erschien und einen abstrakten Plan für die Errichtung eines jüdischen Landes darstellte, war es der letzte Teil von Herzls „zionistischer Trilogie“. Er wurde zwar als Roman geschrieben , versuchte aber, seinen Plan angesichts der aktuellen Probleme und der aktuellen Situation in Palästina in konkrete Details zu fassen. 

Theodor Herzl – Altneuland. Hermann Seemann Nachvolger Verlag. Leipzig, 1902. (D 1404).

Das Buch war ein faszinierender Versuch, den Zeitgeist in Bezug auf den Zionismus zu bündeln, und obwohl es heute als „utopisch“ gilt, lässt es sowohl Hoffnung als auch Zweifel zu Wort kommen. Die Worte „Gott“, mit denen der Roman endet, und „Traum“, mit denen das Nachwort der Bücher schliesst, symbolisieren mehr als alles andere, dass man Herzls Roman als utopisch im ernsten Sinne betrachten sollte, als Beschreibung eines Ideals, das mehr als wahrscheinlich nicht zu verwirklichen ist. Das oft zitierte Motto auf der Titelseite des Buches „Wenn Ihr wollt, ist es kein Märchen“, ist leider das Einzige, was die meisten von uns heute von diesem Roman kennen. Vielleicht ist es auch gut, sich daran zu erinnern, dass auf der letzten Seite dieses Buches nach vier Punkten, die die Kontinuität von der ersten bis zur letzten Seite symbolisieren, einige Worte stehen, die das berühmte Zitat beenden: „….Wenn Ihr aber nicht wollt, so ist und bleibt es ein Märchen, was ich Euch erzählt habe.“

Zwei letzte Seiten des Romans

In unserer Bibliothek haben wir die seltene Erstausgabe ,die 1902 in Leipzig im Hermann Seemann Nachfolger Verlag erschienen ist. Am Zustand des Buches kann man erkennen, dass es viel gelesen wurde. Interessant ist auch, die Entwicklung dieses Buches zu verfolgen, das zwischen 1896 und 1902 geschrieben wurde. Herzl hat in seinen Tagebüchern viele interessante Hinweise auf den Schreibprozess hinterlassen. Er hatte aber auch einige öffentliche Hinweise auf dieses Buch gegeben und diese findet man in der zionistischen Zeitschrift „Die Welt“, deren Chefredakteur Herzl viele Jahre lang war.

Die Welt : Zentralorgan der Zionistischen Bewegung (Z 253).

Den ersten Hinweis auf dieses Buch finden wir in einem Vortrag, den Herzl in London am 26. Juni 1899 in der St. Martin’s Town Hall hielt und der kurz darauf in „Die Welt“ veröffentlicht wurde. Man kann bereits den Zweifel erkennen, den Herzl mit seinem Roman hatte:

Mit dem Ende des Zionistenkongresses in Basel schien sich die Idee, den Roman zu veröffentlichen, sowie die allgemeine Idee des Romans in Herzls Kopf zu verfestigen, wie wir in der kurzen Mitteilung in „Die Welt“ vom 1. September 1899 lesen können:

Eineinhalb Monate später finden wir zum ersten Mal auch den Namen des Romans, ebenfalls in einer sehr kurzen Ankündigung:

Die folgenden zwei Jahre waren für Herzl sehr schwierig, da er sowohl mit seinem Roman als auch mit der Umsetzung seiner Idee kämpfte. Das nächste Mal, dass wir öffentlich von dem Roman hören, ist am 2. Mai 1902, kurz vor seiner Veröffentlichung:

Der Roman wurde tatsächlich in mehrere Sprachen übersetzt, wobei die ersten beiden absichtlich Hebräisch und Jiddisch waren. Die jiddische Übersetzung, die bereits 1902 in Warschau im Tzfira Verlag veröffentlicht wurde, trägt den Namen des Übersetzers „Dr. Is. El“. Das sind die Initialen des berühmten Arztes, Autors und jiddischen Literaturkritikers Israel Isidor Eljaschoff (1873 – 1924), auch bekannt als Ba’al Makhshoves.

Theodor Herzl – Altnayland. ha-Tsfira Drukh. Warschau, 1902. (J 109).

Die hebräische Übersetzung, ebenfalls aus dem gleichen Jahr, Ort und Druckerei des Jiddischen, trägt den einzigartigen Namen „Tel Aviv“. („Tel“ ist das hebräische Wort für vielschichtiger Siedlungshügel und „Aviv“ für Frühling), der später den Namen der Stadt Tel Aviv inspirierte. Die wunderschöne Übersetzung, die bis heute als Klassiker gilt, stammt von dem Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation, Pionier des modernen hebräischen Journalismus und hebräischen Schriftsteller, Dichter und Übersetzer Nachum Sokolow (1859 – 1939).

Theodor Herzl – Tel Aviv, Defus ha-Tsfira. Warschau, 1902.
Oded Fluss. Zürich 19.5.2022