Der Eisgang des Jahrhunderts im kleinen jüdischen Bona

Sipur Bekhi Neharot. Amsterdam, 1784 Breslauersammlung BH 130

Shimon aus Kopenhagen, der Autor des Buches „Sefer Or ha-Yashar“ (zur Geschichte der Cleve-Scheidung, die wir in unserem letzten Beitrag besprochen haben), hat ein weiteres historisch sehr bedeutsames Buch geschrieben.
Das Buch בכי נהרות „Bekhi Neharot“ (das Weinen der Flüsse), beschreibt ein unbekanntes historisches Ereignis aus dem Jahr 1784 in der Stadt Bona (Bonn), in der es eine kleine jüdische Gemeinde gab.
Der extreme Winter von 1783/1784 auf der nördlichen Hemisphäre, war Resultat einer natürlichen Klimaschwankung und gilt als einer der härtesten überhaupt in Mitteleuropa. Dieser harte Winter hatte den Rhein so gefrieren lassen, dass man mit schweren Wagen gezogen von Pferden und Eseln von einer Seite des Ufers, zur anderen reisen konnte. Das Tauwetter setzte aber so abrupt ein, dass der Rhein durch die Schneeschmelze über die Ufer trat und die kleine jüdische Siedlung fast vollständig überflutete.
Kopenhagen beschreibt wie die Menschen zunächst auf die Dächer ihrer Häuser stiegen, um dem Wasser zu entgehen, dann aber gemeinsam die Stadt verlassen mussten und in einem nahegelegenen Kloster unterkamen.
Die Synagoge der Stadt wurde ebenfalls völlig überflutet, und die Leute konnten die Torarollen gerade noch retten.

Das Proops Signet in der Mitte des Buches

Viele Mitglieder der kleinen Gemeinde verloren ihr Zuhause und einige von ihnen ertranken. Obwohl die christlichen Nachbarn nicht bereit waren Hilfe anzubieten, wurden die Behörden dafür hoch gelobt, dass sie der Gemeinde in ihrer Not geholfen haben.
Der Autor, ein grosser Gegner der aufklärerischen Bewegung, lässt es sich nicht nehmen, diejenigen, die er für diese Katastrophe verantwortlich macht, anzugreifen. Er warnt vor der „Stärkung der Säkularen und Häretiker“ und bittet „die Gläubigen und Söhne der Gläubigen“, jeden weiteren Kontakt mit „Religionsleugnern“ zu unterlassen. Er weist auf eine bestimmte Person hin, die ihm und seinen Lesern wohl bekannt war, zu dessen Identität er aber nur den Hinweis gibt: „ein Typ, der das Heilige verstümmeln und sich von der Tora lossagen will“.

Das Signet mit dem Aaronitischen Segen „So sollt ihr die Israeliten segnen“.

Das Buch wurde wunderschön von der Druckerei der Witwe und Waisen des berühmten Yaakob Proops in Amsterdam gedruckt. Die Namen der Orte, der Menschen und der Daten wurden in einer anderen Schrift, die der Handschrift ähnelt, übertragen und zum Teil ins Deutsche übersetzt.
Das ganz besondere Signet des Druckers, das zwei Hände und zwei Fische darstellt, wird im Buch dreimal abgebildet.

Eine der Seiten, die die beiden Schriftarten kombiniert
  • Am Ende des Buches bringt Shimon Baruch aus Mergentheim, der Sohn des bereits verstorbenen Autors, eine kleine Laudatio auf seinen Vater.
  • Adolf (Aron) Jellinek bringt in seiner קונטרס המקונן „Kontras ha-Mekonen“ (die Klugschrift der Klager. Wien, 1881) einer Klage mit einem alphabetischen Akrostichon, über die Überschwemmung von Bona, von Avraham ben Josef ha-Levi, einem Zeugen dieser Katastrophe (Seiten 63-65).
Das Signet am Ende des Buches